Selbstfürsorge: So hast du endlich mehr Zeit für dich

Du hast dir schon oft vorgenommen, dir endlich mehr Zeit einzuräumen und dich mal nur um deine eigenen Bedürfnisse zu kümmern? Ein entspannendes Vollbad nehmen, ein Buch am Abend lesen, regelmäßig meditieren oder vielleicht ein Tagebuch anfangen? Doch dann überrollt dich der Alltag,  die ganzen aufgeschobenen To-Dos, die endlosen Verpflichtungen und der Stress auf der Arbeit. Die Motivation, Gewohnheiten nachhaltig zu ändern, sinkt schneller als du „Selbstfürsorge“ sagen kannst.

Doch gerade hier liegt der Schlüssel für dein langfristiges Wohlbefinden. Regelmäßige Selbstfürsorge ist das größte Geschenk, das du dir machen kannst. Wie du deine Gewohnheiten dauerhaft so änderst, dass mehr Raum für „Self-Care“ entsteht, wie du Selbstfürsorge lernen kannst und diese langfristig etablierst – das erfährst du in diesem Beitrag.  Eine Podcast-Episode zum Thema gibt es ebenfalls.

Bereit, mit deiner Selbstfürsorge-Routine zu starten, die hundertprozentig zu dir und deinen Bedürfnissen passt? Dann viel Spaß beim Lesen und Hören!

Sich selbst zu lieben, ist der Beginn einer lebenslangen Romanze. – Oscar Wilde

Selbstfürsorge lernen: eine kleine Geschichte

Selbstfürsorge zu lernen ist für die meisten eine echte Herausforderung. Also, keine Sorge, du bist damit nicht allein. Warum es sich lohnt, die anfänglichen Hürden zu meistern, erzählt uns die nachfolgende Geschichte, mit der auch die Podcast-Episode beginnt.

Ein Holzfäller trat seinen neuen Job bei einer Holzgesellschaft an und hinterließ gleich am ersten Tag einen bleibenden Eindruck. Fällte er doch direkt ganze 18 Bäume. Klar, dass sein Vorarbeiter von diesem Ergebnis begeistert war. Mit gleich hoher Motivation begann er auch den nächsten Arbeitstag, doch trotz seiner Bemühungen fällte er nur 15 Bäume. Bestrebt, seine Leistung zu verbessern, stand er am darauffolgenden Tag schon im Morgengrauen auf, um früher mit der Arbeit zu beginnen. Doch zu seiner Enttäuschung gelang es ihm gerade einmal sieben Bäume zu fällen.

Die Situation wurde immer deprimierender für den so ambitionierten Holzfäller: Schon am nächsten Tag fällte er fünf Bäume und am darauffolgenden sogar nur noch 2. Verunsichert und besorgt über seine rapide abnehmende Leistung, fürchtete er sich davor, seinem Vorarbeiter gegenüberzutreten. Als sie schließlich miteinander sprachen, versicherte er ihm, dass er bis zur Erschöpfung gearbeitet habe. Der Vorarbeiter stellte ihm daraufhin eine entscheidende Frage: „Wann hast du denn deine Axt das letzte Mal geschärft?“ Verdutzt antwortete der Holzfäller: „Die Axt schärfen? Dazu hatte ich keine Zeit. Ich war zu sehr damit beschäftigt, Bäume zu fällen.“

Erkennst du die kraftvolle Metapher des argentinischen Psychiaters Jorge Bucay dahinter?

Es gibt immer viel zu tun, ständig kommt was dazwischen. Zeit zum Innehalten und für Selbstfürsorge bleibt da kaum. Schließlich müssen Rechnungen bezahlt werden und weder die Küche noch der Kinderpopo putzen sich von allein. Anstatt also regelmäßig deine „Klinge“ zu schärfen oder die Axt einfach mal links liegenzulassen, arbeitest du lieber weiter. Und weiter. Und weiter. So lange, bis deine Leistungen rapide nachlassen.

Das größte Problem dabei ist, dass so ein schleichender Prozess meistens unbemerkt bleibt – wie beim Holzfäller in der Geschichte – bis zur totalen Erschöpfung. Du merkst nicht mehr, dass du jeden Tag etwas energieloser und antriebsloser wirst. Oft unbewusst gehst du mit einer stumpfen Axt durch die Gegend, wenngleich du noch Äste abschlägst.

Was fühlst du, wenn du das liest oder hörst? Ertappt? Bestätigt? Schuldig? Musst du nicht. Denn du hast den ersten, wichtigen Schritt damit getan: Es zu erkennen. Der zweite Schritt: Deine Axt schärfen. Wie? Die Antwort liegt, wie sollte es anders sein, in der Selbstfürsorge.

Nicht neu, aber echt innovativ: Selbstfürsorge in der positiven Psychologie

Self-Care umfasst weitaus mehr als Me-Time, ein Schaumbad, Duftkerzen und Räucherstäbchen. Schon seit vielen Jahrzehnten steht Selbstfürsorge im Fokus von empirisch-pädagogischer Forschung. In der Psychologie wird Selbstfürsorge mit „sich selbst liebevoll und wertschätzend zu begegnen, das eigene Befinden und die eigenen Bedürfnisse ernst nehmen und aktiv zum eigenen Wohlergehen beitragen“ definiert.

Mittlerweile ist es wissenschaftlich mehrfach belegt, dass sich durch die richtige Form von Selbstfürsorge nicht nur das mentale, sondern auch das körperliche Wohlbefinden signifikant verbessert.

Ok, klingt super, aber wie kannst du Selbstfürsorge jetzt lernen? Wie kannst du deine eigene Axt durch achtsame Routinen regelmäßig schärfen und so aktiv zu deinem eigenen Wohlbefinden beitragen?

Natürlich gibt es keine Podcastfolge und keinen Blogbeitrag, ohne passende Praxistipps. Selbstfürsorge wird erst ein beständiger Teil von dir, indem du sie schrittweise in dein Leben integrierst – und zwar allen Widerständen zum Trotz.

Laut einer Meta-Studie halten „nur“ zwei, dafür aber sehr hartnäckige Faktoren davon ab, regelmäßig Selbstfürsorge zu betreiben:

  • Es als zu anstrengend zu empfinden, neue Gewohnheiten aufzubauen – und somit unser Verhalten langfristig, also mehr als nur ein paar Tage, zu ändern.
  • In stressigen Situationen – wenn gerade das Kind schreit, der Magen streikt, die Deadline im Nacken liegt – an alles zu denken, nur nicht an Selbstfürsorge.


Bereit für den Mindchange und die galante Überwindung der Störfaktoren? Mit den nachfolgenden drei Lösungsansätzen ebnest du dir den Weg zu einem liebevolleren Umgang mit dir selbst.

Selbstfürsorge: 3 Self-Care Übungen

Mit den nachfolgenden drei Selbstfürsorge-Übungen kannst du Schritt für Schritt deine Gewohnheiten ändern und dir bewusst Zeit für dich nehmen.

Klein anfangen

Starte mit einer klitzekleinen Selbstfürsorge-Routine. Je machbarer, desto eher bleibst du am Ball. Anstatt also sofort dreimal die Woche stundenlang spazieren zu gehen oder jeden Tag 30 Minuten zu meditieren, beginne mit kleinen Schritten.

  • Spaziere einfach mal fünf Minuten um den Block.
  • Meditiere nur eine Minute.
  • Nimm ein Fuß- statt ein Vollbad.
  • Höre einen kurzen Podcast, statt gleich ein ganzes Hörbuch

Sicher, diese paar Minuten werden augenscheinlich keine riesigen Effekte auf dein Wohlbefinden haben, aber das damit verbundene Gefühl des Erfolgs – ähnlich wie das Umstupsen des ersten Dominosteins – erzeugt eine Schwungkraft, die etwas in dir anstößt und neue Kräfte in Gang bringt.

Und zack: Die Lust auf mehr Selbstfürsorge steigt von ganz allein. Unter anderem deshalb basieren die 6-Minuten-Tagebücher, wie das Achtsamkeitstagebuch, das Dankbarkeitstagebuch oder das Erfolgsjournal, aber auch der Podcast, den du dir zur Selbstfürsorge oder unsere vielen anderen Themen anhören solltest, auf dem 6-Minuten-Prinzip.

Weniger ist mehr

Klein anzufangen mit deiner neuen Gewohnheit ist super, aber wenn du diesen Ansatz mit fünf Dingen gleichzeitig machst, also täglich je fünf Minuten meditierst, liest, spazierst und so weiter, bleibt erfahrungsgemäß auf lange Sicht nichts davon hängen. Daher: Weg von Multi-, hin zu Singletasking.

Hol dir nicht drei, vier oder fünf, sondern erst einmal genau eine tolle neue Selbstfürsorge-Routine in dein Leben und warte, bis diese zu einem festen Teil deines Lebens geworden ist. Dann kannst du anfangen, über die nächste nachzudenken.

Mach dir eine Selbstfürsorge-Liste

Stell dir zuallererst die Frage, mit welcher wohltuenden Selbstfürsorge-Praxis du loslegen willst. Vielleicht fällt dir keine ein oder dir schießen direkt zehn Dinge in den Kopf. Und damit folgt der dritte Lösungsansatz – deine persönlichen Selbstfürsorge-Liste, bei der du dich vollkommen auf dein Gefühl verlässt. Schreibe dafür zu Beginn all die Dinge auf, von denen du weißt oder denkst, dass sie dir im Alltag guttun und Kraft spenden.

Zum Beispiel:

  • Lesen
  • Tagebuch schreiben
  • ein entspanntes Bad
  • Spazieren gehen
  • gesund kochen
  • Digital Detox
  • Atemübungen
  • Selbstgespräche
  • Fitness
  • Powernaps
  • Meditieren
  • Dehnübungen

Was ist es bei dir? Die Kaffeepause oder doch das gute Gespräch mit einer guten Freundin oder einem guten Freund? Vielleicht sogar ein Schlaftagebuch führen? Sei offen, höre und lausche, was deine Intuition dir für eine Selbstfürsorge-Liste schreibt.

How-to Selbstfürsorge-Liste

Um die ideale Selbstfürsorge-Routine, die wirklich zu dir passt, auf Grundlage deiner Liste zu finden, kannst du folgende Schritt-für-Schritt-Anleitung nutzen:

Schritt 1: Erfühlen deines Ankers

  • Schau dir deine zuvor erstellte Liste an. Nimm dir Zeit, jede aufgeführte Selbstfürsorge-Maßnahme genau zu betrachten und in dich hineinzufühlen.

Schritt 2: Bewertung der Aktivitäten

  • Überlege dir bei jeder Aktivität: Setzt sie mich schon beim Lesen unter Druck? Fühlt es sich überhaupt nach mir an?

Beispiel: Wenn deine Kollegin während des Yoga-Kurses total abschaltet, du aber beim herabschauenden Hund nur zur Uhr heraufschaust, ist Yoga vielleicht nicht die richtige Praxis für dich. Sei ehrlich. Es gibt für jeden die richtigen Selbstfürsorge-Übungen. Das „Selbst“ sollte eben nur nicht zu kurz kommen.

Schritt 3: Selektiere nach Gefühl

  • Beginne damit, alles von deiner Liste zu streichen, was sich nicht gut anfühlt oder nicht wie „du“. Vertraue dabei auf dein Gefühl.

Schritt 4: Erkenntnis, dass individuelle Ansätze variieren

  • Bedenke, dass es laut Forschung nicht die eine Selbstfürsorge-Routine gibt, die für jeden passt. Selbstfürsorge ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Trust the process. Experimentiere, wenn du dir nicht sicher bist.

Schritt 5: Das Ausprobieren

  • Durch das Herausstreichen der weniger passenden Aktivitäten und das Nachfühlen der Punkte, die sich richtig anfühlen, näherst du dich den Praktiken, die am besten zu dir passen. Nun beginne, diese auszuprobieren. Starte klein, um zu sehen, ob diese Aktivitäten deine innere „Axt“ schärfen.

Und vergiss dabei eins nicht: Selbstfürsorge darf richtig viel Spaß machen!

Quellen:

Dahl C, Dlugosch GE (2020) Besser leben! - Ein Seminar zur Stärkung der Selbstfürsorge von psychosozialen Fachkräften. Prävention und Gesundheitsförderung 15(1): 27–35 10.1007/s11553-019-00735-2 via Zentrum für Empirische Pädagogische Forschung. https://www.zepf.eu/selbstfuersorge/


Glowiak, Matt (2024): What is Self-Care and Why is it Important For You? Southern New Hampshire University https://www.snhu.edu/about-us/newsroom/health/what-is-self-care

Riegel, Barbara / Dubbar, Sandra B.. / Fitzsimons, Donna et. al. (2019): Self-care research: Where are we now? Where are we going? International Journal of Nursing Studies, Volume 116, April 2021, 103402 https://doi.org/10.1016/j.ijnurstu.2019.103402

👉 Alles, was du sein kannst, ist bereits in dir.
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Dominik Spenst, Autor & Gründer des 6-Minuten-Verlags