Gewohnheiten – Der Zinseszins unserer Persönlichkeitsentwicklung
Albert Einstein wurde einmal gefragt, was die stärkste Kraft im Universum ist und seine spontane Antwort war: „Der Zinseszins”. Als Warren Buffett, der wohl erfolgreichste Investor aller Zeiten, nach seinem wichtigsten Erfolgsfaktor gefragt wurde, gab er dieselbe Antwort. Damit können diese beiden bekanntermaßen überaus klugen Herren nicht ganz Unrecht gehabt haben.
Der Zinseszins auf dem Konto und der für deine Gewohnheiten
Zumindest aus dem Matheunterricht kennen wir alle den Zinseszins-Effekt und seine Bedeutung für unser Sparbuch: Wenn du 10.000 € bei einem Zinssatz von 5 % pro Jahr anlegst, hast du nach einem Jahr 10.500 € und nach 20 Jahren sind es bereits knapp 27.000 €. Ist der erste Euro einmal angelegt, erhöht sich dein Kontostand nicht nur von allein, sondern mit der Zeit auch immer schneller.
Da bei menschlichen Gewohnheiten dieselben Wachstumseffekte wie beim Sparbuch entstehen [1] [1] Was haben Gewohnheiten mit Bambus zu tun: Die unterschätzte Macht der Gewohnheit
, kannst du auch ohne Geld anzulegen vom Zinseszinseffekt profitieren: Ist eine gute Gewohnheit erstmal fest etabliert, bereichert sie dein Leben nicht nur von allein, sondern mit der Zeit auch immer mehr. Die Zinsen auf dem Bankkonto entsprechen den kleinen Schritten, die wir jeden Tag tun, wobei die Resultate aus diesen Schritten exponentiell wachsen. Ein Großteil dieser kleinen Schritte wird von unseren Denk- und Verhaltensgewohnheiten bestimmt, da mehr als 90 % unserer täglichen Entscheidungen von ihnen gelenkt werden. [2] [2] Nur 5 % unserer Entscheidungen sind bewusst: Zaltmann, Gerald (2003): How Customers Think: Essential Insights into the Mind of the Market
Dementsprechend sind Gewohnheiten der Zinseszins unserer Persönlichkeitsentwicklung.
Kleine Gewohnheiten mit kolossaler Wirkung
Stell dir vor, du liest jeden Tag 10 Minuten zum Thema „Achtsamkeit”. Diese Gewohnheit macht kurzfristig keinen großen Unterschied in deinem Leben. Nach einem Monat jedoch führt sie dich bereits zu ersten gravierenden Erkenntnissen. Eine solche Erkenntnis kann zum Beispiel sein, dass du mehr Dankbarkeit und Wertschätzung in dein Leben integrieren möchtest. Einen weiteren Monat später stößt du bei deinen täglichen 10 Minuten auf das 6-Minuten-Tagebuch. Du entscheidest dich zum Kauf und bist dir sicher, dass deine täglichen Minuten zum Thema „Achtsamkeit” hier von nun an gut investiert sind – du sparst sogar täglich vier Minuten :-).
Genauso wie sich das Geld auf dem Konto durch den Zinseszins vermehrt, vervielfachen sich die Effekte deiner neuen 6-Minuten-Gewohnheit mit täglicher Wiederholung exponentiell. Zu Beginn sind die Resultate kaum spürbar, aber schon nach drei Monaten werden Dankbarkeit und Wertschätzung zum festen Bestandteil deines Alltags. Auf Dauer hast du dadurch bessere Beziehungen, mehr Lebensfreude und gehst optimistischer durch den Tag. Du schläfst besser, gehst leichtfüßiger mit den Belastungen deines Lebens um, erreichst deine Ziele und führst ein längeres und erfüllteres Leben. Zu Beginn sind die Effekte minimal, mit der Zeit werden sie kolossal!
Um Himmels Willen, praktiziere dich in kleinen Dingen und schreite weiter zu großartigen. – Epiktet
1 % macht langfristig den Unterschied
Die Zinseszinskurve deiner guten und schlechten Gewohnheiten:
1 Jahr lang jeden Tag 1 % besser: 1,01^^365 = 37,78
1 Jahr lang jeden Tag 1 % schlechter: 0,99^^365 = 0,03
Wenn du jeden Tag 1% besser wirst, ist das mit täglicher Aufzinsung eine Verbesserung von knapp 3800% pro Jahr – deine Resultate sind also knapp 38 Mal besser als noch vor einem Jahr. Sobald der Zinseszins ins Rollen gekommen ist, entwickelt er eine gewaltige Eigendynamik und multipliziert nach und nach alles, was er in die Finger bekommt. Die Zeit wird bei schlechten Gewohnheiten also immer mehr zu deinem Feind, während sie bei guten Gewohnheiten nach und nach zu einem besseren Freund wird.
Es ist nicht notwendig außergewöhnliche Dinge zu tun, um außergewöhnliche Resultate zu erzielen. – Warren Buffett
Es sind also nicht die wenigen galaktischen Entscheidungen, die uns glücklich und erfolgreich machen, sondern die vielen kleinen und alltäglichen 1%-Entscheidungen – genau diejenigen, die von Gewohnheiten gelenkt sind. Für alle, die weder gerne in Graphen noch Prozentsätzen denken, hier ein paar Beispiele aus dem realen Leben, die dieses Prinzip verdeutlichen:
Wenn der Zinseszins dein Feind ist: Drei Beispiele
1) Negative Gedanken über dich: Umso mehr du dich selbst als negativen oder langweiligen Menschen wahrnimmst, desto mehr Situationen in deinem Leben interpretierst du um diese Glaubenssätze herum. Diese Einstellung zinst sich solange gegen dich auf, bis sie zum Teil von dir selbst und deiner Identität wird.
2) Negative Gedanken über andere: Dasselbe gilt für deine Einstellung gegenüber anderen Menschen. Sobald du beispielsweise die Gewohnheit hast, andere als eigennützig oder scheinheilig einzustufen, siehst du nach einiger Zeit eine Welt voller Egoisten und Heuchler.
3) Stress: Trotz Rückenschmerzen stundenlang am Rechner sitzen. Arbeitsprobleme mit ins Bett und in den Schlaf nehmen. Vor lauter Arbeit keine Zeit mehr für Freunde haben und sich einsam fühlen. Für sich allein ist jeder dieser Stressfaktoren verkraftbar, wenn du jedoch über Monate oder Jahre hinweg nichts dagegen tust, entstehen ernsthafte mentale und gesundheitliche Probleme.
Wenn der Zinseszins dein Freund ist: Drei Beispiele
1) Dankbarkeit: Wenn du täglich drei Dinge aufschreibst, für die du dankbar bist, ändert sich in den ersten Tagen nicht viel. Über einige Monate und Jahre hinweg jedoch entwickelt sich aus dieser kleinen Gewohnheit eine dankbare Lebenseinstellung mit engeren Beziehungen [3] [3] Dankbarkeit schafft engere Beziehungen: Watkins, Philip C. (2014): Gratitude and the Good Life. Toward a Psychology of Appreciation
, weniger Stress, mehr Erfolg [4] [4] Dankbarkeit macht erfolgreicher: Achor, S.: Happiness Advantage (2011): The Seven Principles That Fuel Success and Performance at Work
und Lebensfreude.
2) Anderen Gutes tun: In einer einzelnen Unterhaltung nett und zuvorkommend zu sein, hat keine allzu großen Auswirkungen. Wenn du dieses Vorhaben aber bei jeder Unterhaltung im Kopf hast, resultiert hieraus mit der Zeit ein weites Netzwerk aus starken und gefestigten Beziehungen.
3) Meditation: Eine Woche lang täglich fünf Minuten zu meditieren, macht nicht den Riesenunterschied. Langfristig führt diese Gewohnheit allerdings nachweislich zu besserer Selbstwahrnehmung [5] [5] Meditation verbessert die Selbstwahrnehmung: Farb, N. A. S., Segal, Z. V., Mayberg, H., Bean, J., McKeon, D., Fatima, Z., & Anderson, A. K. (2007). Attending to the present: mindfulness meditation reveals distinct neural modes of self-reference. Social Cognitive and Affective Neuroscience, 2(4), 313–322
, erhöhter Konzentrations- und Erinnerungsfähigkeit [6] [6] Meditation verbessert Konzentration und Erinnerung: Zeidan, F., Johnson, S. K., Diamond, B. J., David, Z., & Goolkasian, P. (2010). Mindfulness meditation improves cognition: Evidence of brief mental training. Consciousness and Cognition, 19(2), 597–605
, besserem Schlaf [7] [7] Meditation verbessert den Schlaf: Nagendra, R. P., Maruthai, N., & Kutty, B. M. (2012). Meditation and Its Regulatory Role on Sleep. Frontiers in Neurology, 3
, weniger Angst- und Stresssymptomen [8] [8] Meditation vermindert Angst- und Stresssymptome: Morone, N. E., Lynch, C. P., Iii, V. J. L., Liebe, K., & Greco, C. M. (2012). Mindfulness to Reduce Psychosocial Stress. Mindfulness, 3(1), 22–29
und mehr emotionaler Stabilität. [9] [9] Meditation erhöht die emotionale Stabilität: Chambers, R., Gullone, E., & Allen, N. B. (2009). Mindful emotion regulation: An integrative review. Clinical Psychology Review, 29(6), 560–572
Der Zinseszins – die Kraft, die Albert Einstein einst das 8. Weltwunder nannte – kann also genauso kraftvoll gegen dich arbeiten, wie sie für dich arbeiten kann. Wenn du praktische Ideen haben möchtest, um diese Kraft – ohne Kampf und Krampf – zu deinen Gunsten zu nutzen, findest du hier 8 wissenschaftlich fundierte Tipps, um genau das zu tun.
Mit der richtigen Gewohnheit zum richtigen Ziel
Um zu verdeutlichen, wie mächtig der Zinseszins im Zeitverlauf wird, zieht der amerikanische Autor Darren Hardy in seinem Buch „Der Zinseszins” [10] [10] Kleine Gewohnheiten multiplizieren sich:
Harrdy, Darren (2012): The Compound Effect. Multiplying your Success. One simple step at a time S. 61
einen interessanten Vergleich: Stell dir vor, du möchtest von der West- zur Ostküste der USA, genauer gesagt von Los Angeles nach New York, fliegen. Wenn der Pilot das Flugzeug beim Start um nur 3,5 Grad zu weit nach Süden ausrichtet, wirst du bei der Landung nicht die Freiheitsstatue, sondern das weiße Haus erblicken. Schon diese winzig kleine Fehlausrichtung reicht aus, um dich in Washington D.C. landen zu lassen, satte 200 Kilometer entfernt von deinem eigentlichen Ziel New York City. Da die Flugzeugnase nur zwei Meter zu weit nach Süden zeigt, ist eine so minimale Veränderung beim Flugstart kaum wahrnehmbar, über die volle Distanz der USA multipliziert sich der Effekt dieser kleinen Änderung allerdings – und aus 2 Metern Unterschied zu Beginn werden letztlich 200 Kilometer.
Auf die gleiche Weise kann eine kleine Veränderung deiner Gewohnheiten dein Leben langfristig an ein ganz anderes „Landeziel” steuern und es somit in eine völlig neue Richtung lenken. Für den Moment ist eine kleine Gewohnheit unbedeutend. Über die Summe der Momente, die dein Leben ausmachen, kann sie den Unterschied zwischen der Person, die du bist und der Person, die du sein möchtest, ausmachen.
Zuerst erschaffen wir unsere Gewohnheiten, dann erschaffen sie uns. – John Dryden
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Dieser Beitrag stammt von Dominik Spenst, Gründer des 6-Minuten Verlags, Autor des 6-Minuten-Tagebuchs und 6-Minuten-Erfolgsjournals. Wenn er nicht gerade 6-Minuten-Bücher schreibt, schmökert er in Sachbüchern oder lobt seine Mitarbeiter so unauffällig, dass sie es nicht bemerken.
Quellen:
[1] Was haben Gewohnheiten mit Bambus zu tun: Die unterschätzte Macht der Gewohnheit
[2] Nur 5 % unserer Entscheidungen sind bewusst: Zaltmann, Gerald (2003): How Customers Think: Essential Insights into the Mind of the Market
[3] Dankbarkeit schafft engere Beziehungen: Watkins, Philip C. (2014): Gratitude and the Good Life. Toward a Psychology of Appreciation
[4] Dankbarkeit macht erfolgreicher: Achor, S.: Happiness Advantage (2011): The Seven Principles That Fuel Success and Performance at Work
[5] Meditation verbessert die Selbstwahrnehmung: Farb, N. A. S., Segal, Z. V., Mayberg, H., Bean, J., McKeon, D., Fatima, Z., & Anderson, A. K. (2007). Attending to the present: mindfulness meditation reveals distinct neural modes of self-reference. Social Cognitive and Affective Neuroscience, 2(4), 313–322
[6] Meditation verbessert Konzentration und Erinnerung: Zeidan, F., Johnson, S. K., Diamond, B. J., David, Z., & Goolkasian, P. (2010). Mindfulness meditation improves cognition: Evidence of brief mental training. Consciousness and Cognition, 19(2), 597–605
[7] Meditation verbessert den Schlaf: Nagendra, R. P., Maruthai, N., & Kutty, B. M. (2012). Meditation and Its Regulatory Role on Sleep. Frontiers in Neurology, 3
[8] Meditation vermindert Angst- und Stresssymptome: Morone, N. E., Lynch, C. P., Iii, V. J. L., Liebe, K., & Greco, C. M. (2012). Mindfulness to Reduce Psychosocial Stress. Mindfulness, 3(1), 22–29
[9] Meditation erhöht die emotionale Stabilität: Chambers, R., Gullone, E., & Allen, N. B. (2009). Mindful emotion regulation: An integrative review. Clinical Psychology Review, 29(6), 560–572
[10] Kleine Gewohnheiten multiplizieren sich: Harrdy, Darren (2012): The Compound Effect. Multiplying your Success. One simple step at a time S. 61
3 Kommentare
Ein wirklich toller Beitrag mit super Beispielen!
Ich möchte mir ebenfalls Gedanken machen, welche Gewohnheiten ich verstärken und welche ich evtl. sogar streichen möchte.
Lieben Dank für den tollen Einblick! :)
Hi Dominik,
super Artikel und mit guten Beispielen verdeutlicht, weiter so! Ich finde mich in fast allen Beispielen zu guten und schlechten Gewohnheiten wieder und habe mir direkt schon eine Liste mit Gewohnheiten gemacht, die mich hoffentlich nach New York bringen ;-)
Spannender Beitrag! Vor allem das Beispiel mit dem Flugzeug is super hilfreich! Ich will in Zukunft besser verstehen, was eigentlich meine Gewohnheiten sind und wie ich sie aktiver kontrollieren kann. Danke dafür.